Geplant war eine Tour über den Balkan nach Griechenland, einen guten Freund besuchen. 3 Tage vor Abfahrt wurde der halbe Balkan wieder zum Hochrisikogebiet erklärt, Griechenland hat seine Einreise und Quarantänebedingungen verschärft und wir brauchten eine sichere Alternative. Da ich gerade aus Polen zurück war (TET) war die Alternative schnell gefunden. Wir fahren über Tschechien und die Slowakei nach Polen und dort immer an den Außengrenzen entlang in einem Loop zurück Richtung Deutschland.
Unsere erste größere Tour von der Haustüre weg. Mit der Fähre gehts über die Donau nach Tschechien. Hotels haben wir keine gebucht, wir schauen wie weit wir kommen und buchen dann kurzfristig via Booking. Wir trödeln so vor uns hin, es gibt viel zu schauen und zu riechen. Immer wieder erstaunlich, wie sich Landschaften und Gerüche nach einem Grenzübertritt verändern. Überall freundliche Menschen. Das Essen ist zünftig, das Bier immer schön kühl. Kurz nach der Grenze warnt ein Schild vor Bären. Es geht durch ein Naturschutzgebiet, weit und breit keine Siedlung, keine mögliche Unterkunft. Es ziehen dunkle Wolken auf, der Tag neigt sich dem Ende. Laut Booking ist die nächste Unterkunft in der nächsten größeren Stadt. Das sind noch ein paar Kilometer. Wir werden nass. Unsere Unterkunft ist eher eine Art Fernfahrerkneipe, mitten im Ort, direkt an der massiv befahrenen Hauptstraße. Das Motorrad steht ums Eck, das Bett ist hart, aber egal, es ist warm und wir haben ein Dach über dem Kopf. Und ein großes Schauspiel direkt vor der Türe: Auf der Straße hat sich ein See gebildet, durchfahrende LKW sorgen jedesmal für eine riesige Wasserfontaine. Das Essen ist wirklich genial. Eine Art Pfannkuchen aus Kartoffelpüree gefüllt mit Gulasch - extrem lecker (und sättigend).
Polen, ist ein wirklich verkanntes Reiseland. Wunderschöne, weite Landschaften, riesige Felder und Wälder. Hier ist das Leben ziemlich entschleunigt, man kann den ganzen Tag dem Wolkenspiel zuschauen und freut sich über die Störche in den Nestern auf den Telegrafenmasten irgendwelcher verschlafener Dörfer... man fährt so dahin und hat immer etwas zu schauen, genauso treiben auch die Gedanken dahin, frei wie die Störche am Himmel. Es geht durch dunkle Wälder, wir wollen ein paar Heidelbeeren pflücken, leider haben die Mücken scheinbar nur auf uns gewartet, schnell weiter - ohne Heidelbeeren. Jeder Kilometer entspannt uns mehr, wir fahren eine Weile an der Grenze zur Ukraine, dann zu Weißrussland entlang. Teilweise direkt am Grenzzaun und finden sogar einen (geschlossenen) kleinen Übergang nach Weißrussland. Unterkünfte sind dank Booking auch kurzfristig kein Problem, wir finden jeden Abend eine schöne Unterkunft und feines Essen. Nur einmal zieht es sich ein bisschen, eine Unterkunft behauptet voll zu ein, das dann gebuchte stellt sich (noch einem schönen Offroad Ausflug über die Felder) als Ferienwohnung raus, aber auch an diesem Tag finden wir ein schönes Hotel für uns.
Ein kleiner Abstecher auf dem TET führt uns nach Litauen - die Grenze liegt mitten im Wald, wir fahren einen kleinen Schlenker durch Litauen zurück nach Polen und schon wieder stellt man kurz nach der Grenze eine Veränderung fest. Die Häuser sehen anders aus, es riecht anders.
Das Wetter ist eher durchwachsen, immer mal wieder gibts einen Regenschauer, aber die Sonne kämpft sich zumeist zurück. Wir gönnen uns einen Tag an der Ostsee in einer Ferienwohnung mit Familienanschluss. Wir schaffen es bis zur russischen Grenze - immerhin einen Blick konnten wir nach Russland werfen. Der Kompass zeigt schon wieder nach Westen, ein paar TET Stücke nehmen wir noch mit, unter anderem die kaputte Eisenbahnbrücke. Ein Highlight habe ich noch in Petto - hatten wir bei der TET Tour vorletzte Woche doch 2 Nächte in einem Schloss gewohnt, musste dieses geniale Hotel auch diesmal wieder besucht werden.
Auf Feld- und Waldwegen wandern wir mit der F850 durch die Landschaft, werden von einer Kuhherde mitten im Wald überrascht und genießen die Ruhe und Abgeschiedenheit. Auf einem rutschigen Stück Feldweg kann ich das Hinterrad bei Schrittgeschwindigkeit nicht mehr halten und es entgleitet mir. wir legen uns ins Gras. Ich schaue sofort nach Andrea. Sie sagt erst nix, dann meint sie, dass mit ihrem Knöchel etwas sein könnte. Verdammt, Schrittgeschwindigkeit, das Motorrad ist mehr abgelegt worden als abgeflogen. Ein Koffer ist abgerissen, sie hat ihren Fuß blöd darunter verdreht gehabt. Der kaputte Koffer kommt auf den ganz gebliebenen, Andrea muss ihn festhalten. Wir schleichen uns aus dem Wald. An der nächsten Tankstelle kaufen wir Spanngurte und fixieren den Koffer auf dem anderen. Diese BMW Plastikkoffer sind halt doch nur was für Schönwetter-Straßenausflüge. Was mir mehr Sorgen macht, ist das Sprunggelenk von Andrea. Der Motorradstiefel stabilisiert erstmal, aber wir sind noch weit weg von zu Hause. Das Havelland schenken wir uns, wir finden am späten Nachmittag ein nettes kleines Hotel nicht weit von der Grenze zu Deutschland. Bevor wir den Stiefel ausziehen, gibt es erstmal eine IBU 800. Der Fuß ist blau. Wir besorgen einen Beutel mit Eiswürfeln und legen den Fuß hoch. Morgen werden wir entscheiden, ob wir es nach Hause schaffen oder nicht - Wenn der Fuß wieder in den Stiefel passt - gehts direkt nach Hause. Mit IBUs und Zähneknirschen geht der Fuß wieder in den Stiefel. 800km Autobahn sind kein Spaß - vor allem wenn man den Fuß nicht belasten kann und noch den Koffer festhalten muss. Andrea kämpft sich durch und spätabends sind wir zu Hause. Das erste Röntgenbild schaut vielversprechend aus, das MRT-Bild dann nicht mehr: Weber-C Fraktur. Muss operiert werden. Zum Glück haben wir ein paar wirklich gute Unfallchirurgen und Anästhesisten im Bekanntenkreis - der Bruch wird also schnell und bestens versorgt. Das nächste Motorrad bekommt gescheite Koffer und Andrea richtige Endurostiefel...