Mit einer BMW K 1200 GT, einer BMW K 1200 GT „Bi-fuel“ und einer BMW R 1200 RT stellen sich im Auftrag der Firma Wunderlich Bart van den Bogaard, Roberto Schmitz und ich
mich diesem 6-tägigen Abenteuer.
Schon lange nichts mehr verrücktes gemacht und die Strapazen der Rekordfahrt X-Europe im letzten Jahr längst vergessen musste ich nicht lange überlegen, als es darum ging
eine spannende Geschichte mit dem GT-Umbau „bi-fuel“ zu machen. Die Maschine wurde mit einem modifzierten Automobil-Umrüstkit auf Gasbetrieb umgestellt und ist weltweit das erste zugelassene
Motorrad mit Hybridantrieb. Moskau bot sich als Ziel geradezu an, da die Abdeckung mit Autogas im ganzen Osten sehr gut ist und ich gerne mal wieder nach Russland fahren wollte. Der Zeitrahmen
ergab sich aus meinem vollen Terminkalender und so stand das lange Wochenende um Himmelfahrt mit zwei Verlängerungstagen zur Verfügung. Unbedingt mit wollten Bart van den Bogaard (Designer) und
Roberto Schmitz, (Vertriebsmitarbeiter bei Wunderlich)der erst seit einem halben Jahr seinen Motorradführerschein hat. Und so gesellten sich zu der GT „Bi-Fuel“ die Roberto fahren durfte, eine
nagelneue K 1200 GT für Bart und die X-Europe erprobte R 1200 RT für mich. Anfang der Woche haben wir alle unsere Visa im Ausweis kleben und die letzten Prototypen werden in der
Entwicklungswerkstatt an die Maschinen gebaut. Ein letzter Rundumcheck, neue Continental RoadAttack auf die Felgen und unsere Habseligkeiten in den Koffern verstaut.
Wir fahren in der RUKKA Allroad Kombi und Roberto und ich testen jeweils einen Schuberth S1, was vor allem für mich als eingefleischten Crosshelmfahrer eine große Umstellung
bedeutet. Navigiert wird innerhalb Europas mit dem TomTom RIDER Für das Baltikum und Russland greife ich mangels Kartenmaterial für die anderen Programme auf den BMW Navigator II zurück.
Aufgezeichnet wird die komplette Tour mit einem TripTracker von Amaryllo, der bei mir im Kartenfach untergebracht ist. Zusätzlich habe ich eine Geckocam-Fingerkamera in der RT verbaut, sodass ich
während der Fahrt aus verschiedenen Winkeln filmen kann. Als Motivation läuft im CD Player der RT das Lied „Moskau“ von Rammstein....
Eine Routenplanung im Vorfeld war nicht wirklich nötig, da ich die Strecke von meinen Ausflügen nach Vladivostok und ins Altai Gebirge bestens kenne. Und so starten wir
frohen Mutes am Himmelfahrts Morgen um 5 Uhr und dürfen als besonderes Vergnügen auch gleich die Regenklamotten überziehen. Wir machen ein kurzes Foto vor dem Firmengebäude und stürzen uns dann
hinaus auf die kalte und nasse Autobahn. Ganz langsam lassen wir es angehen - Bart und ich sind eingefleischte GS Fahrer und Roberto fährt privat eine Kawasaki und so nehmen wir uns Zeit die
neuen, ungewohnten Maschinen in Ruhe kennen zu lernen und uns mit den vielen Knöpfen und Eigenheiten vertraut zu machen.
Hinter Wuppertal auf einem Parkplatz steht Corinna im Regen und wartet auf uns. Recht wehmütig begleitet sie uns bis Hannover, traurig diesmal nicht mit dabei sein zu
können, obwohl sie die Tortour der X-Europe Tour noch gut vor Augen hat. Wir frühstücken gemeinsam und müssen sie in Hannover zurück lassen. Schneller als gedacht sind wir trotz des schlechten
Wetters an Berlin vorbei. Die erste polnische Stadt taucht auf den Kilometerschildern an der Autobahn auf. Dank unserer großen Verkleidungsscheiben und den technischen Errungenschaften wie Sitz-
und Griffheizung kann uns das Wetter nicht viel anhaben - was noch fehlt ist ein Scheibenwischer für die Helmvisiere. In der Schlange vor dem polnischen Zollamt machen wir zum letzten Mal
Bekanntschaft mit der Freundlichkeit der deutschen Autofahrer und werden beim Einfädeln in die Schlange fast auf eine Motorhaube genommen... Schnell sind wir durch die Grenze und feiern die erste
Grenze an einem polnischen Café.
Der Straßenzustand ändert sich, das Wetter leider nicht. Nach einer kurzen Gewöhnungsphase haben wir eine Menge Spaß im polnischen Verkehr - hier wird Platz gemacht beim
Überholen, die Fahrer sind aufmerksam und freundlich und so kommen wir trotz dichtem Verkehr sehr gut voran. Und dann kommen wir sogar noch in den Genuss von sinnvoll eingesetzten EU-Geldern und
genießen ein paar Kilometer auf einer nagelneuen Autobahn - nur gebremst durch einige Mautstellen. Leider folgt nach der Autobahn ein ellenlanger Stau, der sich auch mit allem Wohlwollen der
polnischen Stauteilnehmer nicht umfahren lässt. Dies kostet viel Kraft und Nerven und so biege ich bei Einbruch der Dunkelheit auf den Parkplatz eines nett aussehenden Hotels ein. Roberto ist
zwar der Meinung, dass er noch locker 3 Stunden hätte fahren können, aber ich weiß was noch kommt und bin der Meinung, das fast 1200km für den ersten Tag mehr als genug sind. Schnell ist ein
nettes Zimmer für uns drei gebucht und wir schälen uns aus den Motorradklamotten und den diversen Lagen Unterwäsche. In „normalen“ Klamotten sitzen wir bald im Restaurant und bestellen ein Bier.
Mit Händen und Füßen wird uns dann erklärt, dass sie nach 22:00 Uhr kein Bier mehr ausschenken dürfen. Mein leidender Blick und etwas Betteln bei der Cheffin hilft und schon stehen trotzdem drei
große Krüge Bier vor uns. Dazu gibt es ein großes Schnitzel als Belohnung für den ersten, langen Tag Richtung Osten.
Um 5 klingelt der Wecker und Roberto muss feststellen, dass es doch klug war gestern nicht noch 3 Stunden gefahren zu sein.. Wir packen die Maschinen, wecken uns mit einem
starken polnische Kaffee und sind wieder unterwegs. Schnell und völlig problemlos durchqueren wir Warschau und fahren genüsslich auf einer schönen, wenig befahrenen Landstraße in Richtung Suwalki
nach Masuren, dem nordöstlichen Teil Polens hinein. Wir fahren durch endlose Alleen und Wälder und sehen immer wieder zwischen Bäumen und Feldern die vielen kleinen Seen blitzen. Nach einem
kurzen Tank- und Snickersstop in Suwalki überqueren wir die Grenze zu Litauen. Wie immer genieße ich die Ruhe, die die Landschaft und Menschen im Baltikum ausstrahlen und auch Bart und Roberto
lassen sich anstecken und lassen ihre Blicke über die ursprünglichen Landschaften streifen. Der heftige Verkehr und das anhaltend schlechte Wetter in Kaunas holen uns aus unseren Träumen, aber
nach einer guten Stunde Stadtverkehr haben wir die Autobahn gen Osten und in Richtung Lettland erreicht. Gemütlich lassen wir die Maschinen mit 90km am Tempomat dahinschnurren und lassen unsere
Blicke wieder schweifen. Bauern sitzen auf dem Feld und melken Kühe, Pferdefuhrwerk passieren die Autobahn, in den Dörfern sitzen die Menschen unter Bäumen und schauen uns nach. Bei einem
ausgedehnten Mittagessen lassen wir einen Regenschauer an uns vorbeiziehen und machen uns dann auf den Weg nach Lettland. Schnell ist die Grenze passiert - wir mussten zur Passkontrolle nicht mal
die Helme abnehmen. Der Segen der EU - vor drei Jahren wurden hier die Motorräder noch mit dem Geigerzähler kontrolliert und jedes Gepäckstück umgedreht. In Lettland angekommen muss ich bei der
Einfahrt nach Daugavpils mal wieder über die abenteuerliche Verkehrsführung lächeln, die ich schon einige Male genossen habe. Wir tanken und Bart und Roberto bekommen bei der Fahrt durch die
Stadt einen ersten Eindruck, was im Osten auf sie wartet. Die Straßenbahn scheint 100 Jahre alt zu sein, die Gleise stehen weit über den Asphalt hinaus, die Häuser sind grau und heruntergekommen,
aber die Menschen lachen und winken uns fröhlich hinterher. Auch hier scheint Geld der EU angekommen zu sein, denn es wird viel gebaut und restauriert. Bin sehr gespannt, was die nächsten Jahre
hier so verändern werden. Schnell sind wir aus der Stadt heraus und nach 30km taucht dann auf der Linken Seite mein altbekanntes Hotel auf, indem ich auf der Fahrt nach Vladivostok und auch auf
dem Weg ins Altai schon mehrfach übernachtet habe. Schnell ist ein Zimmer für uns fertig und wir parken die Motorräder wie immer hinter dem Haus. Mit unseren breiten Reisemaschinen wird die Fahrt
über die schmale Rampe zum Millimeterspiel. Da passt wirklich nur noch ein Haar zwischen die Koffer unserer Maschinen und den Wänden der Auffahrt. Beim Abendessen lassen wir den Tag Revue
passieren und freuen uns schon auf morgen - Moskau ruft!
Sehr früh werden wir von unserem Wecker aus den tiefen Träumen gerissen und wir können sogar etwas blauen Himmel zwischen den dunklen Wolken erkennen. Noch völlig
verschlafen packen wir die Maschinen und gönnen uns zur Stärkung für den langen Tag ein Omelette und starken Kaffee als Frühstück. Beim Tanken macht Roberto dann Bekanntschaft mit dem typischen
Tanksystem hier im Osten: An der Kasse muss die Menge und die Art des Benzins genannt und bezahlt werden, erst dann kann man tanken. Ich lache und er beschwert sich, weil ich ihn nicht darauf
vorbereitet hatte... Lachend fahren wir los - wir wollen die russische Grenze so früh als möglich erreichen, da man nie genau abschätzen kann wieviel Zeit man dort zur Einreise
braucht.
Es ist bitterkalt, aber vor dem ersten Verkehrsschild mit Kilometerangabe für Moskau halten wir natürlich für ein Foto an. 607km stehen also heute noch auf dem Programm!
Bald erreichen wir die Grenze, fahren an den Kilometerlangen LKW-Schlangen vorbei und stehen bald in einer kleinen Fahrzeugschlange am ersten Schlagbaum. Nach einigem Hin und Her dürfen wir durch
und verlassen somit Lettland. An der nächsten Ampel bekommen wir einen Laufzettel - nun beginnt der russische Teil des Spiel. Wir stehen im einsetzenden Regen vor den überdachten
Abfertigungsstationen aber dürfen unsere Maschinen nicht alleine lassen d.h. wir sitzen im Regen. Irgendwann geht es dann unters Dach und wir müssen die russischen Einreisekarten ausfüllen. Da
dort alles nur auf Kyrillisch steht, schauen wir verwundert, stellen uns etwas blöd an und schlussendlich werden die Zettel dann von den Zöllnern für uns ausgefüllt. Schnell haben wir die
Einreisestempel im Visum. Nun geht es 5 Meter weiter und ich wechsel Geld. Danach muss die Versicherung für die Maschinen abgeschlossen werden. Ich spaziere in das Versicherungsbüro, lege meine
Papiere auf den Tisch und der Spaß beginnt. Erstmal werde ich auf Russisch zugetextet, auf meine Anmerkung „ich verstehe nichts“ werden dann erstmal alle Papiere auf die Seite geschoben und die
Dame schaut verzweifelt. Dann holt sie die Papiere wieder und wir bewegen uns einen kleinen Schritt nach vorne. Nach einer halben Stunde ist dann endlich das Versicherungspapier soweit fertig und
der Aufkleber ausgefüllt, als ihr auffällt, dass die Maschine nicht auf mich, sondern auf die Firma zugelassen ist. Wo ist die Vollmacht? Kein Problem, ich ziehe unsere Vollmacht aus der Tasche
und dann bricht das Chaos aus: Natürlich versteht sie die Vollmacht nicht, da diese nur auf Deutsch und Englisch geschrieben ist. Also fliegt sie erstmal wieder zurück auf meine Seite des
Tisches. Ich erkläre ihr dann was da drauf steht und sie schaut verzweifelt. Per Telefon wird ein Zöllner hinzu gebeten, der kurz einen Blick auf die Vollmacht wirft und wieder geht. Dann kommt
eine Zöllnerin, die Englisch spricht und erklärt uns, dass es an diesem Zollamt seit kurzem ein „Internal Law“ gibt und alle Vollmachten staatlich anerkannt ins Russische Übersetzt sein müssen
und die Motornummer beinhalten müssen. Mir bleibt die Spucke weg. Da erfindet ein Zollamt ein eigenes Gesetzt und kommuniziert dieses nicht mal... es folgt eine lange, emotionale Diskussion an
deren Ende die Dame nur noch einen Satz sagt: You have to go now! Wir fahren zum Ausreisezollamt, bekommen einen Stempel in den Pass und sind 10 Minuten später wieder in Lettland. Ganz geben wir
aber noch nicht auf - ein Zöllner hat uns den Tipp gegeben, es beim nächsten Zollamt ein paar Kilometer weiter zu versuchen, da es dort dieses „Internal Law“ nicht geben würde. Wir machen uns auf
den Weg und stehen nach einigen Kilometern vor meinem Lieblingsverkehrszeichen, dass es scheinbar nur im Baltikum so gibt: Asphalt Ende!
Als ich gerade anfange mich über diese unerwartete Abwechslung zu freuen, fällt mir siedendheiß ein, dass ich nicht auf meiner GS sitze sondern auf einer RT und diese auch
keine Stollenbereifung hat sondern ganz klare Straßenreifen. Und meinen beiden Kollegen hinter mir geht es nicht besser - hinzu kommt noch, dass Roberto keinerlei Pisten- und Offroaderfahrung mit
bringt. Egal, ich fahre auf die Piste und sage mir immer „es ist eine GS, es ist eine GS“ und siehe da, es scheint zu funktionieren. Roberto heftet sich sofort an mein Hinterrad und Bart hat
seine Scheu schnell überwunden und wendet den gleichen Zaubersatz an wie ich. Kaum haben wir uns an den Pistenspaß gewöhnt werden wir von einer Grenzstreife gestoppt. Die Straße geht nicht
weiter, die Grenze ist geschlossen - also zurück auf Los. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass es noch zwei weitere Grenzübergänge in erreichbarer Entfernung gibt. Wir machen uns auf den Weg und
landen auf einer Umleitungsstrecke die sofort zur Piste wird. Nun wird nicht mehr lange gefackelt - im 4. Gang, fast mit GS-Tempo blasen wir über die feine Piste.
Roberto hängt an meinem Hinterrad, dass mir Angst und Bange wird, aber er zeigt keine Schwächen. Vielleicht ganz gut, dass er keine Offroaderfahrung hat - sonst würde er zu
viel Denken statt einfach meiner Linie zu folgen. Wir halten in einem sonnigen Moment, bauen die Kamera auf und drehen ein paar Meter Film - den Pistenspaß mit diesen Motorrädern müssen wir
festhalten. Bei einer Zigarette entwickeln wir Plan „B“, wenden und fahren zurück in die nächst größere Ortschaft. Dort machen wir erstmal eine Krisensitzung in einem Café und stärken uns bei
einem deftigen Mittagessen. Erich Wunderlich versorgt uns per SMS mit allerlei Notrufnummern, die aber Samstag Nachmittags alle zusammen nicht weiterhelfen können. Meine Bedenken gelten nicht so
sehr der Einfuhr der Maschinen sondern vielmehr den beiden Touristenvisa von Roberto und Bart, die mit dem Einreisestempel ungültig geworden sind. Bart fällt ein, dass die Dame am Zoll einen
Roten Stempel verwendet hat. Ich bin elektrisiert: Wirklich, sie haben bei der Ausreise den Einreisestempel ungültig gestempelt - somit sind die Visa noch gültig und der Weg sollte frei sein. Mit
neuem Mut geht es zurück auf die Piste, inzwischen muss ich echt aufpassen, dass ich nicht leichtsinnig werde. Mein anfänglicher Satz „es ist eine GS“ wandelt sich in „es ist KEINE GS“ nur so
kann ich wilde Drifts und sonstige Pisten-Eskapaden verhindern. Schnell sind wir an dem dritten Zollamt des heutigen Tages und stehen vor einem verschlossenen Tor: Das Zollamt ist am Wochenende
geschlossen. Nun haben wir uns festgebissen und wollen es wissen: Ein Zollamt gibt es noch und dorthin machen wir uns auf den Weg. Schneller als gedacht sind wir dort, passieren die LKW Schlange
und stehe mal wieder am Schlagbaum. Raus aus Lettland ist wieder mal kein Problem und auch den Laufzettel für die Einreise nach Russland haben wir schnell im Pass. Nun wird es spannend. Für
russische Verhältnisse sehr freundlich werden wir auf eine Spur eingewiesen und bekommen sogar Einreisekarten mit Englischer Übersetzung zum Ausfüllen. Dann geht es weiter zur Verzollung. Schnell
sitze ich im Büro der Versicherung und habe eine Menge Spaß mit den beiden Damen dort. Mit meinen 5 Wörtern russisch und viel Gelächter füllen wir die Papiere für die Versicherung aus. Neu ist
hier, dass die Damen auch die Verzollung vorbereiten und so ist in dem ganzen Spaß auch unsere Deutsche Vollmacht plötzlich kein Thema mehr. Als Bart und Roberto hinzukommen werden wir noch mit
Tee und Gebäck bewirtet und ganz nebenbei bekommen wir den Versicherungsaufkleber und die Zollpapiere für die Maschinen zusammen. Am letzten Schlagbaum geben wir den Laufzettel mit den ganzen
Unterschriften wieder ab und können es fast nicht glauben: Wir sind drin! Mit bester Laune fahren wir nach Russland hinein und ich übersehe vor lauter Freude ein Ortsschild und werde sofort von
einer Polizeistreife gestoppt, die mich mit der Laserpistole ins Visier genommen hat. 73km/h soll ich gefahren sein - ich versuche zu erklären, dass ich auf dem Tempomat nur 60km/h programmiert
hatte, muss aber trotzdem mit zum Lada Dienstwagen kommen. Dort beginnt der Beamte ein Formular auszufüllen, aber als er merkt, dass ich überhaupt kein Interesse zeige und mir die ganze Zeit nur
die schöne Landschaft anschaue gibt er mir irgendwann meine Papiere zurück und wir dürfen weiterfahren.
Wie immer stehen monumentale Wolkengebilde über der endlos erscheinenden russischen Landschaft und ab und zu werden wir wohlwollend mit einem heftigen Regenschauer aus
ebendiesen Wolken bedacht. Gegen 19 Uhr passieren wir Ostrov und machen uns auf die Suche nach einem Übernachtungsort. Kurz hinter der Stadt sehe ich einen Abzweig zu einem Olympiastützpunkt mit
Übernachtungsmöglichkeit und biege ab. Schnell landen wir in einem umgebauten ehemaligen sozialistischen Ferienheim direkt an einem See und ich spaziere in das Büro des Administrators. Die Dame
dort ist untröstlich, kann uns aber kein Zimmer mehr anbieten - sie ist ausgebucht. Sie malt mir auf einem Zettel den Weg zu einer Gastinutza (Hotel) in Ostrov auf und wir fahren die paar
Kilometer zurück. Dank ihrer Zeichnung und der Nachfrage bei einem Taxifahrer finden wir die Herberge sofort und während Bart und Roberto das Gebäude von außen noch kritisch beäugen stiefel ich
hinein und versuche ein Zimmer für uns zu bekommen. Wie immer wird es ein lustiges Gespräch - das Fenster zum Sprechen ist so niedrig, dass ich mich hinknien muss und mal wieder mache ich mit
meinen 5 russischen Worten unsere 3 Zimmer und einen sicheren Parkplatz für die Maschinen klar. Ich grinse breit als ich mit Bart und Roberto durch das Treppenhaus nach oben steige. Beide erleben
gerade einen heftigen Kulturschock und Roberto beschließt beim Anblick der Zimmer wohl doch besser in der kompletten Motorradmontur zu schlafen... In einem Café gegenüber werden wir von der
Besitzerin gleich adoptiert und bekommen ein leckeres Abendessen serviert. Wieder mal helfen mir einige Worte an die ich mich plötzlich erinnern kann. Und auch Robertos polnische Ex-Freundin hat
mit ein paar Wörtern die bei ihm hängengeblieben sind sehr zu diesem Abendessen beigetragen. Nach dem Essen verbringen wir noch einige Zeit im Tanzraum nebenan, der aber mehr was für Roberto als
für die „alten Herren“ Bart und mich ist. Wir schließen die erfolgreiche Einreise nach Russland mit 100gr Vodka ab und liegen bald in unseren Betten. Jetzt kann uns doch fast nichts mehr
passieren, geschweige denn aufhalten - Morgen werden wir Moskau erreichen!
Viel zu früh kommt der Wecker, denn auch wenn das Zimmer nicht so ganz dem westlichen Standard an Einrichtung und Sauberkeit entspricht, geschlafen habe ich super darin.
Schnell sind die Maschinen wieder gepackt und noch ein Foto vor einem alten Ehrenmal geschossen. Wir haben satte 700km vor uns und dass die Straße nach Moskau nicht unbedingt einer Autobahn
gleicht weiß ich noch von früheren Touren. Nach gut 2 Stunden haben wir die M9 nach Moskau erreicht und gönnen uns erstmal ein Frühstück. Endlich Zeit für meine beiden Mitstreiter auch
Bekanntschaft mit der russischen Küche zu machen und so bestelle ich Pelmeni (Russische Variante von Ravioli). Bevor wir uns wieder auf den Weg machen führe ich Roberto noch zu einer typischen
Russischen Toilette, worauf er unter wildem Husten beschließt in Russland nicht mehr auf die Toilette zu müssen - und das bei den Temperaturen, da stinken die Toiletten nicht mal....
Die Straße nach Moskau hat unter dem letzten harten Winter und dem starken Schwerlastverkehr schwer gelitten: Heftige Schlaglöcher, 25cm tiefe Spurrillen sind nur das
Standardprogramm. Wir geben Gas und die Maschinen und das Fahrwerk werden auf das Äußerste belastet schlagen sich aber tapfer. Wie immer wechselt Regen mit Sonnenschein, aber über 10 Grad kommen
wir leider nie. Bei einem Zwischenstop müssen wir uns der Gas Maschine widmen. Die Tankkonstruktion auf dem Heckträger ist ein reiner Prototyp, da dieser Umbau ja nur dazu dienen soll, die
Funktion darzustellen und zu prüfen, ob es sinnvoll ist, eine solche Umrüstung vorzunehmen. Mit vereinten Kräften und einigem Equipment bekommen wir den Tank wieder so befestigt, dass ihm auch
die heftigen Straßen nichts anhaben können. Kurz vor Moskau wird die Straße wieder besser und schließlich sogar zur echten Autobahn. Leider stecken wir mitten im Wochenendrückreiseverkehr und
kommen im Stau nur mühsam voran. Wir sind recht fertig und der russische Verkehr verlangt vollste Konzentration. Ich halte an einer Tankstelle mit Hotel etwa 30km vor Moskau und habe die spontane
Idee, dass es besser und vor allem sicherer wäre hier zu übernachten und dann morgen früh nach Moskau rein zu fahren. Roberto sträubt sich - der Kämpfer will das Ziel erreichen. Er beugt sich
aber der Vernunft des Alters und so buchen wir ein kleines Zimmer im Motel und lassen den Abend im Restaurant des Hotels ausklingen.
Bei strahlendem Sonnenschein und fast 15 Grad erreichen wir um 8 Uhr Ortszeit völlig problemlos den Roten Platz und machen ein paar Fotos. Wie gut die Entscheidung war
außerhalb zu übernachten zeigt sich, als ich einen Blick auf das Hotel werfe in dem wir eigentlich übernachten wollten: Es ist eine Baustelle! Wir haben es eilig, den Barts Visum läuft heute ab -
wir müssen also bis Mitternacht die Russische Grenze wieder passiert haben. Nach einer Stunde am sonnigen Roten Platz fahren wir wieder aus der Stadt hinaus. An einem Abzweig wechsele ich zu
schnell die Spuren und Roberto verliert mich aus den Augen. Ich halte an, ein Zurückfahren ist aber im Gewirr der Einbahnstraßen unmöglich. Also fahre ich aus der Stadt hinaus und warte an einer
Tankstelle auf der M9. Bart hat eine Karte und genug Erfahrung die beiden dorthin zu führen. Kaum an der Tankstelle bekomme ich einen Anruf von Bart: Wir sind bei Rot über die Ampel und wurden
von der Polizei angehalten. Ich gebe ihm den Tipp auf jeden Fall ruhig zu bleiben und warte. Eine viertel Stunde später ein erneuter Anruf von Bart: Er ist mit den Nerven am Ende und fleht mich
an sofort zurück in die Stadt zu kommen, der Polizist will ihre Führerscheine behalten... ich wende auf der Autobahn und stürze mich wieder in den Verkehr des Moskauer Rings. Als ich die Stelle
erreiche an denen die beiden festgehalten wurden ist von den Beiden keine Spur mehr. Super. Eine SMS von Bart gibt durch, dass sie wieder unterwegs sind. Ich also wieder raus aus der Stadt zum
alten Treffpunkt an der Tankstelle. Bald klingelt mein Handy wieder: Roberto ist ohne Sprit auf dem Moskauer Ring stehen geblieben, er hat von einem Rollerfahrer einen Liter 2-Takter Gemisch
bekommen und es damit bis zur nächsten Tankstelle geschafft. Nun haben sie sich verfahren sind aber auf dem Weg zu mir. Eine gute Stunde später schlagen die beiden an der Tankstelle auf. Völlig
am Ende erzählen sie mir die Geschichte mit dem Polizisten, der erst ihre Papiere behalten wollte und dann irgendwann immer freundlicher wurde und nach einem Präsent gefragt hat. Bart erinnerte
sich an eine ähnliche Stelle in meinem Buch und brachte ihm zwei Feuerzeuge, worauf der Polizist schmunzelte und seinen einzigen Englischen Satz hervor brachte: We are in Russia - und dazu auf
einem Zettel Zahlen mit vielen Nullen zu malen begann. Zur Geldübergabe wurden die beiden dann in ein Häuschen gebeten und danach freundlich verabschiedet...
Endlich wieder auf der M9 - der Druck, die Grenze erreichen zu müssen treibt uns vorwärts. Die Strasse ist etwas besser als in der anderen Richtung, dafür werden wir wieder
mit viel Regen bedacht. Roberto wird von einem überholenden LKW abgedrängt und muss die Notspur nutzen - zum Glück ist diese an der Stelle aus festem, griffigen Schotter und er hat ja nun fast
100km Pistenerfahrung aus Lettland. Er meistert den Ausflug mit Bravour, auch wenn er noch ein paar Albträume von dem kleinen Ausritt ins Gelände hat. Nur unterbrochen von ein paar Kaffee- und
Fotostops erreichen wir gegen 19:00 die Grenze und werden auch recht freundlich wenn auch sehr langsam abgefertigt. Wie zum Hohn auf diesen kalten, nassen Tag kommt uns die Sonne entgegen und wir
dürfen die 160km bis zum Hotel in Lettland in die untergehende, glutrote Sonne fahren. Märchenhaft liegt die Landschaft da, leichte Nebelschleicher liegen auf den Wiesen und ziehen sanft in den
Senken über die Straßen. Beleuchtet wird das Szenario von der roten Sonne, die leider auch sehr stark blendet. Plötzlich steht im Nebel auf der Straße ein kleines Reh und schaut verdutzt. Nur der
Kopf ist über dem Nebelschleier zu sehen... Im Dunkeln erreichen wir das Hotel und gönnen uns in einem Restaurant nebenan noch ein fettes Abendessen. Wie tot fallen wir in die Betten, aber es ist
geschafft - wir haben Moskau erreicht und eine Menge Abenteuer erlebt, dafür dass wir erst 5 Tage unterwegs sind. So langsam können meine beiden Mitfahrer ermessen, was es bedeutet auf Tour zu
sein.
Nun, da der „Stress“ vorbei ist, lassen wir es ruhiger angehen und schlafen erstmal aus. Gestärkt durch ein ausgiebiges Frühstück machen wir uns gemütlich auf den Weg und
gönnen uns viel Zeit für Foto, Film und Landschaft. Abseits der Hauptstrassen durchqueren wir Lettland und Litauen und genießen die wunderschöne Landschaft, Winken den Menschen am Straßenrand zu,
freuen uns an den Tieren am Straßenrand und dem meist schönen Wetter. Nur kurz vor der polnischen Grenze holt uns der Regen wieder ein und begleitet uns ein ganzes Stück in Richtung Augustow.
Kurz vor Augustow sehen wir ein Hotel, finden aber, dass es noch etwas früh dafür sei. Wir tanken in der Stadt und fahren auf der Route nach Berlin tief nach Masuren hinein. Eine geniale
Landschaft und die vielen Seen machen Spaß, die Straße ist wenig befahren, für LKWs gesperrt und führt fast vollständig durch wunder-schöne Alleen. Und wieder haben wir die untergehende Sonne im
Gesicht, steigen Nebelschwaden aus den Wiesen und Wäldern auf und sehr schnell wird es dunkel und sehr kalt. Jetzt wäre es Zeit für ein Hotel, nur leider kommt keines. Gegen 22:00 sehe ich in
einem kleinen Ort ein Schild mit dem Hinweis auf ein Hotel und biege ab. Roberto folgt, Bart kann unser Tun nicht verstehen und versucht durch Lichthupe und Hupe auf sich aufmerksam zu machen.
Keiner reagiert und entsprechend miss gelaunt kommt er in der kleinen Ortschaft im polnischen Nirgendwo an. Ich fahre die schlammige Dorfstraße hinunter und lande an einem See - von einem Hotel
keine Spur. Ich traue mich fast nicht, den wartenden Jungs diese Nachricht zu überbringen, als ich etwas ausserhalb einige Boote liegen sehe und ein beleuchtetes Haus dabei. Dort fahren wir hin
und stehen vor einem verschlossenen Tor. Ich gehe hinein und klopfe an der Hütte. Ein englisch sprechender Mann kommt mir entgegen und ich schildere ihm unsere Situation. Er grübelt kurz und
erklärt mir, dass sein Yachtclub erst in 3 Wochen eröffnet und noch nichts fertig wäre. Aber es wäre kein Problem, er lässt sich was einfallen. Während wir ein Bierchen trinken organisiert seine
Tochter Bettdecken und Schlafsäcke für die Nacht und so sind wir die ersten Gäste im Millenium Yachtclub, der erst im Juni eröffnet wird. Und während wir verträumt den Nebelschwaden auf dem See
nachschauen, die vom aufgehenden Mond beleuchtet werden kommt meinen beiden Kollegen die Idee, dass es ja eigentlich gar nicht sein kann, das all diese Erlebnisse in dieser Woche einfach so
passieren und gelöst werden können. Und so entwickeln sie die Idee, dass ich schon Wochen im Voraus jedes kleine Abenteuer geplant hatte und viele Menschen bestochen hatte, das sie alles das
erleben können, was die letzten Tage so passiert ist...Am nächsten Morgen scheint die Sonne und wir werden mit einem frischen Kaffee geweckt. Und da der Yachtclub ja noch nicht offen hat, werden
wir eingeladen und müssen für Übernachtung, Bier und Kaffee nichts bezahlen. Ein Tag der so anfängt kann ja nicht schlecht enden und so geben wir uns ganz der polnischen Landstraße durch Masuren
in Richtung der Deutschen Grenze hin. Immer wieder erreichen uns heftige Regenschauer, aber zwischendurch wird uns auch ein sonniger Abschnitt gegönnt. Recht schlapp sind wir und so stärken wir
uns bei einem polnischen Kaffee und einem polnischen Cheesburger, bevor wir die letzte Etappe bis nach Berlin in Angriff nehmen. Schnell sind wir über der Grenze und fahren mal wieder bei
Temperaturen um die 3 Grad in die untergehende Sonne hinein. Kaum in Berlin angekommen werden wir von einem kalten Schauer in Empfang genommen und erreichen das Hotel Berlin komplett durchnässt.
Egal. Andreas der F&B Manager wartet schon auf uns, wir bringen die Sachen auf unser Zimmer und sitzen wenig später in der Hotelbar bei Bier und einem riesen Schnitzel und haben viel zu
erzählen.
Nur wehmütig lässt uns Andreas am nächsten Morgen wieder fahren. Schon so oft war er Zwischenstation für meine Touren und irgendwann wird er wohl mitkommen - wenn seine
Freundin und seine Tochter in gehen lassen...
Die Deutsche Autobahn hat uns wieder und das Wetter will sich auch nicht bessern. Erich Wunderlich macht sich dazu noch den Spaß uns seit zwei Tagen per SMS darauf
vorzubereiten, dass es in Sinzig schneit und der Schnee auch langsam liegenbleibt. Wir kämpfen uns durch Stau, den typisch deutschen Verkehr und viele heftige Wolkenbrüche und erreichen dann doch
gegen 19:00 Sinzig, wo wir von Erich und Corinna erwartet werden. Nun sprudeln die Geschichten nur so aus uns heraus und wir haben auch erstmals Zeit einen Blick auf die Fotos und die
Videosequenzen zu werfen... Spät wird es allerdings an diesem Abend nicht - wir haben doch alle eine Menge Schlaf nach zu holen!
Tja, ich auf einer RT, der Maschine über die ich immer gelächelt habe, ob der vielen Knöpfe und Gimmicks. Nun sehe ich die Maschine doch in ganz anderem Licht und auch viele
der Gimmicks wünsche ich mir nach dieser Tour für meine GS. Warum gibt es keinen Tempomat für eine Fernreisemaschine wie die GS? Wo baue ich den CD-Player ein?... Obwohl ein eingefleischter
GS-Fahrer: Ich würde wieder mit einer RT losziehen! Und auch die Gas-GT hat ihre Bewährungsprobe bestens bestanden. Das neue Konzept bringt eine große Reichweitenverlängerung und ist gleichzeitig
ein neuer Meilenstein im Bereich des Umweltschutzes.
Meine beiden Begleiter haben Blut geleckt und ich bin sicher wir werden uns wieder zusammen in kleine „Lange-Wochenend-Abenteuer“ zusammen stürzen!